Der Gebrauchshund und seine Arbeit
Es gibt sie ja. Die Hunderassen, zu deren erwünschten und gewollten Eigenschaften das Territorialverhalten gehört. In der Regel in Kombination mit noch weiteren Talenten, je nachdem, für welche Einsatzgebiete diese Hunde gezüchtet werden.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe bei dem Wort „Einsatz“ durchaus ein ziemlich klares Bild vor Augen: Jemanden, der sehr zielgenau und ohne Zaudern genau das tut, was er in einem Einsatz tun muss. Seine Arbeit.
Selektion auf bestimmte Eigenschaften
Bestimmte Hunde haben wir Menschen über Jahrtausende genau darauf selektiert: Sie sollen ihre Arbeit machen. Das ist effizient, denn es kostet nicht so viel Zeit, einen Hund in eine Arbeit zu bringen, die ihm über Generationen in Fleisch und Blut übergangen ist.
Nicht jeder Hund kann jede Aufgabe erfüllen – oder warum der Jäger keinen Border Collie hält!
Es mag vielleicht theoretisch und im Einzelfall möglich sein, einen Border Collie für die ernsthafte Wildschweinjagd auszubilden: Auge um Auge, Zahn um Zahn!
Praktisch habe ich davon noch nie gehört und vermutlich auch sonst niemand. Und das, obwohl die Hütesequenzen des Borders doch ganz eindeutig dem Jagdverhalten zugeordnet werden können.
Ich führe es nicht weiter aus. Jäger halten nun mal keine Border Collies für die Wildschweinjagd. Sie sind dafür nicht geeignet.
Überraschug beim Territorialverhalten?
Beim Territorialverhalten sieht es erstaunlicherweise aber ganz häufig anders aus und der Mensch ist völlig überrascht, welches Potenzial sein Vierbeiner entwickelt.
Wir haben aber sehr viele Hunderassen, zu deren erwünschten Eigenschaften unter anderem das Bewachen und Beschützen von Haus, Hof, Hab & Gut gehört(e).
Hier allerdings wundert sich der Mensch auf einmal, wenn der „Liebling“ irgendwann ernst macht. Ganz so schlimm hat man es sich dann doch nicht vorgestellt mit dem Schäferhund, dem Rottweiler, dem Herdenschützer, dem Ridgeback, den Sennenhunden etc. pp.
Und auch Terrier, Dackel, Spitz & Co sind mit einer ganz ordentlichen Portion Territorial-Aggression ausgestattet!
Aber ist das wirklich alles so erstaunlich? Es dürfte uns Hundehalter doch gar nicht überraschen, wenn wir uns ganz simpel mehr damit beschäftigen würden, was unsere „bewachenden“ Hunde denn die letzten Jahrhunderte so getan haben.
Um dann vor der Hundeanschaffung zu entscheiden, wieviel Territorialverhalten und Bewachung wir denn für uns genau wollen und objektiv händeln können?
Das Gute – und ich sage bewusst das Gute (!) – an genetisch fixierten Eigenschaften ist ja genau, dass der Hund entsprechend seiner Rasse sehr bestimmt tun wird, was seine Genetik ihm mitgibt:
Der soll gar nicht bis ins kleinste Detail mit sich selbst einen stundenlangen inneren Diskurs führen, wie er sich in einer Situation verhält und dabei pro und kontra abwägen. Er handelt. Das ist sein Auftrag und sein Einsatz. Das ist seine von uns Menschen über lange Zeit selektierte und gewollte Aufgabe. Nicht zu viel denken. Machen!
Wehret den Anfängen!
Nun sind Hunde(rassen) mit Territiorialverhalten genauso wie Hunde mit genetisch schwerpunktmäßig anderen fixierten Eigenschaften selbstverständlich nicht frei fliegend in ihrer Erziehung und Ausbildung:
Es muss als Halter dann aber sehr deutlich und konkret darum gehen, sich die Rasseeigenschaften ohne rosarote Brille vor Augen zu führen und von Welpenbeinen an dort anzusetzen, wo man innerhalb der genetischen Grundvoraussetzungen später steuern können will und muss! Vor allem und immer dann, wenn man einen solchen Hund als „Familienhund“ halten will.
Ein Hund, der u.a. dafür gezüchtet ist, aufzupassen und niemanden einfach so reinzulassen, der MUSS von Anfang an lernen, dass er nichts an der Tür zu suchen hat, meinen Besuch nicht kontrollieren darf, ihn nicht anspringen und zuerst begrüßen darf. Dem bringe ich schon als Welpen bei, dass er beim Klingeln warten muss.
Er wird sowieso mit dem Aufpassen beginnen. Spätestens wenn er erwachsen wird. Weil es ihm seine Genetik nämlich mitgegeben hat. Bis dahin muss er aber gelernt haben, dass der Halter sich regelnd einbringt.
Erziehung muss stattfinden, bevor der Hund Probleme macht
Und das ist leider oft das größte Problem: Hundehalter warten zu lange. Sie treten erst in Aktion, wenn der Hund Schwierigkeiten macht und ihnen schon entglitten ist.
Ich muss aber erziehen und mich einbringen, bevor mein Hund völlig selbstbestimmt genau das tut, was ihm seine Genetik mitgibt. Für seine genetischen Rasseeigenschaften kann er nämlich nichts. Er hat es verdient, dass wir ihn ernsthaft so wahrnehmen und erkennen, wie er ist. Und zwar, bevor er zu einem Problem wird – und bei Besuch zubeißt.
© Judith Borck – Hundeschule Bremen – Training für Mensch und Tier
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