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Es gibt in den letzten 20 Jahren eine sehr ungute Entwicklung bei Welpen. Einen Trend, den ich als Hundetrainerin mit echter Sorge betrachte:
Denn proportional zu dieser Entwicklung steigt die Anzahl der Hunde, die einem später als echte Problemhunde vorgestellt werden und die als ernsthaft nicht gesellschaftsfähig zu bezeichnen sind.
Ich spreche von einer immer größer werdenden Anzahl von Welpen, die mit 10 oder 12 Wochen keine einzige Sekunde still sitzen können.
Welpen, die ohrenbetäubend schreien, kreischen und heftig zubeißen, wenn sie nicht sofort bekommen, was sie genau JETZT wollen.
Welpen, die schon mit 9 Wochen zähnefletschend vor ihrem neuen Besitzer stehen – bereit, ihren Futternapf bis auf’s Blut zu verteidigen.
Welpen, die hysterische Wutanfälle bekommen, wenn sie mal für mehr als eine Sekunde festgehalten werden müssen, weil sie sich nicht den Döner inklusive Aluverpackung reinpfeifen oder sich eine verlorene Socke ihres Halters in den Magen schieben sollen.
Welpen, bei denen es quasi unmöglich ist, Ohren- oder Augentropfen zu verabreichen.
Welpen, die sich mit 8 Wochen schon ernsthaft in ihren Artgenossen festbeißen und mit absoluter Vehemenz beißschütteln.
Hört sich gruselig an? Ist es auch. Aber woher kommt das?
Meiner Erfahrung nach hat das insbesondere drei Gründe:
1. Die kleinste Anzahl von Welpen wird inzwischen noch bei einem verantwortungsvollen Züchter gekauft.
Das ist ein Züchter, der seine Welpen von Anfang an gut sozialisiert, schon vor der Abgabe dosiert an gewisse Umweltreize gewöhnt und ihnen bis zur Übergabe an ihre Käufer schon die eine oder andere Spielregel welpengerecht beigebracht hat. Unter anderem die, dass es natürlich auch gewisse Umgangsformen zwischen Mensch und Hund gibt.
Ein Züchter, der die Entwicklungstendenzen seiner Sprösslinge sehr gut einschätzen kann und dementsprechend darauf achtet, dass der Käufer auch zu dem Welpen passt.
Ein Züchter übrigens auch, der sieht, wenn seine Hündin z.B. mit ihrem ersten Wurf erzieherisch überfordert ist und für entsprechend qualifizierten vierbeinige Unterstützung durch erfahrene „Tanten“ und „Onkel“ sorgt.
Das ist kein Züchter-Bashing. Die richtigen werden mir zustimmen, die anderen dürfen sich gerne angesprochen fühlen.
Es gibt genug gute Züchter, die das genau so machen und von Geburt an wirklich viel Arbeit und Herzblut in jedes Individuum ihrer Würfe stecken. Leider gibt es aber mindestens ebenso viele andere.
Und – das muss man leider auch genau so sagen:
Die Nachfrage nach Welpen ist inzwischen einfach um ein vielfaches höher, als dass diese Anzahl von angefragten Welpen überhaupt noch von entsprechend guten Züchtern „produziert“ werden könnte…
2. Es wird gemixt, was man mixen kann:
Die einschlägigen Online-Verkaufsportale geben her, was auch immer man sich wünscht. Oder verkaufen will. Da wird der Husky mit dem Spitz gekreuzt, der Malinois mit dem Herdenschutzhund, der Australian Shepherd mit dem Weimaraner und der Weimaraner mit dem Labrador.
Sieht oft gut aus, bekommt meist coole neue „Rassetitel“. Ist aber genetisch eher semi- kompatibel, was man da so miteinander vermischt. Je mehr (unterschiedlicher) Gebrauchshund drin ist, desto schwieriger wird es in der Erziehung. Und wenn es dann noch das „Beste“ von beiden ist… dann musst Du als Welpenbesitzer sehr, sehr schnell echter Experte für Rassekunde werden!
Das sind aber die wenigsten.
Von guter Sozialisierung durch einen „Züchter“ spreche ich hier gar nicht mehr. Jemand der Ahnung von Genetik hat, kreuzt bestimmte Rassen eben gerade NICHT miteinander. Punkt.
3. Hundebesitzer wollen – oder können (!) – gar nicht mehr erziehen:
Ein Trend, der leider auch immer mehr und mehr zunimmt.
Den Welpen will man noch. Aber alles andere wird schwierig. Grenzen setzen tut einem in der Seele nämlich schrecklich weh!
Statt eine Grenze zu setzen, wo eine Grenze hingehört, springen auch erwachsene Menschen inzwischen weinend auf der Flucht vor den Milchzähnen ihrer Welpen auf’s Sofa. Oder bedienen jedes Gekreische ihres kleinen Hundes mit entsprechender Aufmerksamkeit und erfüllen jeden Wunsch sofort und dienstgerecht.
Konflikte annehmen? Bearbeiten? In die richtigen Bahnen lenken? Einmal aushalten, dass auch ein Welpe nicht immer nur fröhlich sein muss, dass ein Welpe auch gar nicht fröhlich sein SOLL, nachdem er eine Grenze aufgezeigt bekommmt?
Das alles… Fehlanzeige.
Es gibt für niemanden auf dieser Welt ein absolutes Recht auf immerwährende Fröhlichkeit.
Vor allem dann nicht, wenn diese „Fröhlichkeit“ eine ständige Einschränkung anderer voraussetzt. Eine solch gelebte Fröhlichkeit heißt übrigens Egoismus. Und die verkehrt sich sehr schnell in Wut und Aggression, sobald sich einer nicht – oder nicht mehr – einschränken lassen will.
Nun reicht in der Regel schon eine der drei oben genannten Komponenten, um das Leben mit einem Welpen schwierig genug zu machen. Dummerweise kommen inzwischen aber ganz oft zwei oder sogar alle drei Punkte zusammen:
Richtig erziehen will der Mensch nicht, beim guten Züchter gekauft war nicht dabei und von der Rasse/den Rasse-Mixen hat man eigentlich auch keine Ahnung.
Das Ergebnis sind entweder Hunde, die irgendwann ihren Ursprüngen entsprechend in den eischlägigen Online-Portalen als Wanderpokale weiter gereicht werden, im Tierheim landen oder schlicht gefährlich in ihrem und für ihr Umfeld sind:
Weil sie beißen, weil sie ungehemmt jagen, weil sie für ihre Halter (nicht mal) an der Leine zu händeln sind. Weil sie – bestenfalls – nichts anderes können, als jeden Artgenossen im „Spiel“ mit Wucht umzuballern. Im schlimmstesten Fall machen sie einfach keine Gefangenen mehr, wenn ihnen nur die Musik nicht passt.
Gemachte Egoisten.
Nicht, weil sie so sein wollten. Sie sind so geworden, weil wir Menschen es zugelassen haben.
© Judith Borck – Hundeschule Bremen – Training für Mensch und Tier
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