Sozialverhalten lernen in der Welpenspielstunde? Geht das?

Sozialverhalten lernen in der Welpenspielstunde? Geht das?

Ein gutes Sozialverhalten unter Hunden ist das, was die allermeisten Hundehalter sich wünschen, wenn sie sich einen Welpen anschaffen.
Dazu gehen sie unter anderem auch in eine Welpenstunde.
Hier sollen die Kleinen lernen, sich untereinander gut und angemessen zu verhalten.

Der Alltag und die Sozialverträglichkeit

Der Alltag eines jeden Hundebesitzers ist, zumindest in der Stadt, recht einfach beschrieben.
Man geht raus und trifft an jeder Ecke einen Hund. Kleine Hunde, mittlere Hunde, große Hunde. Hunde jeglicher Rasse, jeglichen Alters, Charakters und gesundheitlicher Zustände.

Nun. Und hier fängt es an mit der angeblichen Sozialverträglichkeit.
All diese verschiedenen Hunde müsste ein gut sozialisierter Hund jetzt angemessen einschätzen können:

Will der andere überhaupt Kontakt? Wenn ja, auf welche Art will er den Kontakt? Möchte der zur Begrüßung wirklich über den Haufen gerempelt werden? Oder will der vielleicht nur einen ganz kurzen, höflichen „Guten Tag“ austauschen und dann unbehelligt seiner Wege gehen?

Wunsch oder Wirklichkeit?

Hier beginnt der Punkt, an dem Wunsch  und Wirklichkeit ganz häufig aufeinanderprallen.
Man könnte auch vom Urknall aller Probleme im Alltag von Hundehaltern sprechen.
Denn in der Stadt sind die Möglichkeiten für Freilauf recht begrenzt. Zum Freilauf treffen sich alle Hundehalter an den selben Plätzen. Und jeder bringt seinen Vierbeiner mit. Den kleinen, den großen, den alten, den kränklichen, den sensiblen, den draufgängerischen Hund.

Damit das überhaupt einigermaßen konfliktfrei funktionieren kann, brauchen wir bei dieser Hundedichte auf begrenztem Raum vor allem Hunde, die den anderen Artgenossen in seiner Befindlichkeit, in seiner Körperlichkeit und seinem Wesen wahrnehmen können.

Der ganz normale Wahnsinn

Die Realität sieht jedoch meist ganz anders aus.

Da werden Artgenossen gejagt, gemobbt und ohne Rücksicht auf Verluste über den Haufen gerempelt. Mit Hundehaltern dabei, die entweder nicht in der Lage sind einzugreifen oder, das ist das erschreckende, meistens nicht einmal erkennen, was ihre Hunde da eigentlich tun. Mit Spiel haben diese Treffen häufig überhaupt nichts zu tun.

Im Gegenteil werden auf diese Art Hundebegegnungen für viele Vierbeiner zu reinem Stress.

Für Spiel gibt es Regeln

Die wichtigste Regel lautet: Ein Spiel ist nur solange ein Spiel, wie alle Beteiligten gleichermaßen Freude daran haben. In der Interaktion miteinander, in der Art, wie sie miteinander umgehen, in der Körperlichkeit, wie sie von beiden angemessen in Abgleich zum Wohlbefinden des anderen eingesetzt wird. Findet das einer doof, ist es kein Spiel mehr. Punkt.

Spiel ist es überhaupt nie, wenn nur einer auf Kosten des anderen Spaß hat. Oder mehrere auf Kosten eines einzelnen.

Rumrempeln und den anderen ungefragt über den Haufen zu bollern, ist ohnehin weder ein Spiel, noch eine adäquate Kontaktaufnahme. Da probiert sich einer körperlich auf Kosten des anderen aus. Und ja, auch viele Welpen versuchen das schon mit ihren kleinen Kollegen. Der eine mehr, der andere weniger. Das nimmt man zur Kenntnis – und dann unterbindet man das!

Einen Hund zur Sozialkompetenz zu erziehen ist Arbeit

Und es ist Arbeit von Welpenbeinen an.

Einen sozialverträglichen Hund für den Alltag zu bekommen, heißt tatsächlich genau eins überhaupt nicht:
Dass mein Welpe in der Welpenstunde so viel Freispiel und Freiraum wie möglich bekommt. Weil er gerade Lust auf Spiel hat. Genau so und auf die Art, wie er das gerne möchte.

Es bedeutet stattdessen, seinen Welpen sehr gut zu beobachten, ihn klar zu unterbrechen, wo er sich auf Kosten eines anderen „vergisst“ oder sogar gezielt dessen Befindlichkeiten ausblendet. Das gilt übrigens auch gegenüber seinen und anderen Menschen, nicht nur für Artgenossen!

Seinen Hund nicht zu unterbrechen heißt, seinem Hund das Lernen von Umgangsregeln und Sozialkompetenz vorzuenthalten.

Man erzieht sich stattdessen einen egoistischen sozialen Krüppel. Schlimmstenfalls einen, der als Erwachsener durchaus gefährlich für seine Artgenossen oder Menschen wird.

Gesundheitliche Aspekte

Keine klare Einflussnahme auf völlig unangemessenen und ungebremsten Körpereinsatz im Spiel kann im übrigen auch gravierende gesundheitliche Auswirkungen haben.

Die Gelenke und Knochen sind in diesem Alter noch weich und besonders stoßanfällig. Verletzungen, die in diesem Alter stattfinden, manifestieren sich häufig zu lebenslangen Sollbruchstellen. Sowohl bei dem, auf den draufgeknallt wird als auch bei dem, der nur mit Wucht und Anlauf in die anderen reinballert.

Auswirkungen von ungeregeltem Welpenspiel

Es sollte nicht unterschätzt werden, was sich Welpen schon alles merken.

Die wissen schon nach der erste Welpenstunde, welcher Hundekollege sich ihnen gegenüber wie verhalten hat und ob sie den cool finden oder doof.

Das führt, unkommentiert und ungeregelt, bei vielen Hunden schon in diesem Alter dazu, dass mancher aus lauter Verzweiflung nachher alles an Aggressionsverhalten rausholt, was er rausholen kann, um sich sämtliche Artgenossen vom Leib zu halten. Er hat als Opfer gelernt, dass  Angriff die beste Verteidigung ist.

Und was hat der Draufgänger gelernt?
Er hat gelernt, dass nur seine Wünsche zählen und ihn die Befindlichkeiten des anderen nicht interessieren. Alle sollen nach seiner Pfeife tanzen.

Wünschenswert kann das alles nicht sein.

Regeln in der Welpenstunde

Dieses Thema wird bei uns sehr klar vermittelt und umgesetzt. Es bestehen ganz eindeutige Regeln.

  • Wer nur rempeln kann, muss etwas anderes lernen.
  • Wer nur jagen kann, muss etwas anderes lernen.
  • Wer nur raufen will, muss etwas anderes lernen.
  • Wer nicht hinhören kann, was der andere sagt, muss etwas anderes lernen.

Wenn es vom Wesen und der Körperlichkeit passt, darf man an der einen oder anderen Stelle natürlich auch einmal etwas laufen lassen. Es macht aber keinen Sinn, von einem unsicheren und sensiblen Welpen zu verlangen, er solle sich nur mal ordentlich gegen die Rüpel zur Wehr setzen.

Es ist ebenso unsinnig, zwei potenzielle Raufbolde einfach unkommentiert agieren zu lassen; denn die proben jetzt schon, was euch später mit eurem Hund ins Abseits stellt: Es wird keine entspannten Hundebegegnungen mehr geben.

Können sich groß und klein verstehen?

Ja. Es ist möglich. Bei den meisten zumindest.

Es ist nur deutlich mehr Mühe. Mehr Mühe, bei den Kleinigkeiten hinzuschauen. Der Wille, seinem Hund schon als Welpe beizubringen, dass er sich anpassen muss. Der Wille, seinem vierbeinigen Panzer mitzuteilen, dass er auch etwas anderes lernen muss. Nämlich vorsichtig zu sein, wenn jemand anders vorsichtig behandelt werden will.

Genau das ist die Herausforderung für jeden Welpenbesitzer.

Freut euch nicht an dem „Spiel“ zwischen zwei Bulldozern. Freut euch nicht, wenn ein ängstlicher Welpe plötzlich verzweifelt schreiend und schnappend in Gegenwehr geht. Das ist nicht witzig.
Übt, dass euer Hund echte Umgangsregeln lernt.

Denn genau das macht das aus, was ihr im Alltag braucht.
Jeden Tag. Sobald ihr rausgeht. In jeder einzelnen Hundebegegnung.

Mein Haus, mein Hof, mein Garten, mein Spazierweg

Mein Haus, mein Hof, mein Garten, mein Spazierweg

Der Gebrauchshund und seine Arbeit
Es gibt sie ja. Die Hunderassen, zu deren erwünschten und gewollten Eigenschaften das Territorialverhalten gehört. In der Regel in Kombination mit noch weiteren Talenten, je nachdem, für welche Einsatzgebiete diese Hunde gezüchtet werden.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe bei dem Wort „Einsatz“ durchaus ein ziemlich klares Bild vor Augen: Jemanden, der sehr zielgenau und ohne Zaudern genau das tut, was er in einem Einsatz tun muss. Seine Arbeit.

Selektion auf bestimmte Eigenschaften
Bestimmte Hunde haben wir Menschen über Jahrtausende genau darauf selektiert: Sie sollen ihre Arbeit machen. Das ist effizient, denn es kostet nicht so viel Zeit, einen Hund in eine Arbeit zu bringen, die ihm über Generationen in Fleisch und Blut übergangen ist.

Nicht jeder Hund kann jede Aufgabe erfüllen – oder warum der Jäger keinen Border Collie hält!
Es mag vielleicht theoretisch und im Einzelfall möglich sein, einen Border Collie für die ernsthafte Wildschweinjagd auszubilden: Auge um Auge, Zahn um Zahn!
Praktisch habe ich davon noch nie gehört und vermutlich auch sonst niemand. Und das, obwohl die Hütesequenzen des Borders doch ganz eindeutig dem Jagdverhalten zugeordnet werden können.

Ich führe es nicht weiter aus. Jäger halten nun mal keine Border Collies für die Wildschweinjagd. Sie sind dafür nicht geeignet.

Überraschug beim Territorialverhalten?
Beim Territorialverhalten sieht es erstaunlicherweise aber ganz häufig anders aus und der Mensch ist völlig überrascht, welches Potenzial sein Vierbeiner entwickelt.

Wir haben aber sehr viele Hunderassen, zu deren erwünschten Eigenschaften unter anderem das Bewachen und Beschützen von Haus, Hof, Hab & Gut gehört(e).
Hier allerdings wundert sich der Mensch auf einmal, wenn der „Liebling“ irgendwann ernst macht. Ganz so schlimm hat man es sich dann doch nicht vorgestellt mit dem Schäferhund, dem Rottweiler, dem Herdenschützer, dem Ridgeback, den Sennenhunden etc. pp.

Und auch Terrier, Dackel, Spitz & Co sind mit einer ganz ordentlichen Portion Territorial-Aggression ausgestattet!

Aber ist das wirklich alles so erstaunlich? Es dürfte uns Hundehalter doch gar nicht überraschen, wenn wir uns ganz simpel mehr damit beschäftigen würden, was unsere „bewachenden“ Hunde denn die letzten Jahrhunderte so getan haben.

Um dann vor der Hundeanschaffung zu entscheiden, wieviel Territorialverhalten und Bewachung wir denn für uns genau wollen und objektiv händeln können?

Das Gute – und ich sage bewusst das Gute (!) – an genetisch fixierten Eigenschaften ist ja genau, dass der Hund entsprechend seiner Rasse sehr bestimmt tun wird, was seine Genetik ihm mitgibt:

Der soll gar nicht bis ins kleinste Detail mit sich selbst einen stundenlangen inneren Diskurs führen, wie er sich in einer Situation verhält und dabei pro und kontra abwägen. Er handelt. Das ist sein Auftrag und sein Einsatz. Das ist seine von uns Menschen über lange Zeit selektierte und gewollte Aufgabe. Nicht zu viel denken. Machen!

Wehret den Anfängen!
Nun sind Hunde(rassen) mit Territiorialverhalten genauso wie Hunde mit genetisch schwerpunktmäßig anderen fixierten Eigenschaften selbstverständlich nicht frei fliegend in ihrer Erziehung und Ausbildung:

Es muss als Halter dann aber sehr deutlich und konkret darum gehen, sich die Rasseeigenschaften ohne rosarote Brille vor Augen zu führen und von Welpenbeinen an dort anzusetzen, wo man innerhalb der genetischen Grundvoraussetzungen später steuern können will und muss! Vor allem und immer dann, wenn man einen solchen Hund als „Familienhund“ halten will.

Ein Hund, der u.a. dafür gezüchtet ist, aufzupassen und niemanden einfach so reinzulassen, der MUSS von Anfang an lernen, dass er nichts an der Tür zu suchen hat, meinen Besuch nicht kontrollieren darf, ihn nicht anspringen und zuerst begrüßen darf. Dem bringe ich schon als Welpen bei, dass er beim Klingeln warten muss.
Er wird sowieso mit dem Aufpassen beginnen. Spätestens wenn er erwachsen wird. Weil es ihm seine Genetik nämlich mitgegeben hat. Bis dahin muss er aber gelernt haben, dass der Halter sich regelnd einbringt.

Erziehung muss stattfinden, bevor der Hund Probleme macht
Und das ist leider oft das größte Problem: Hundehalter warten zu lange. Sie treten erst in Aktion, wenn der Hund Schwierigkeiten macht und ihnen schon entglitten ist.

Ich muss aber erziehen und mich einbringen, bevor mein Hund völlig selbstbestimmt genau das tut, was ihm seine Genetik mitgibt. Für seine genetischen Rasseeigenschaften kann er nämlich nichts. Er hat es verdient, dass wir ihn ernsthaft so wahrnehmen und erkennen, wie er ist. Und zwar, bevor er zu einem Problem wird – und bei Besuch zubeißt.

Schmerzbedingte Aggression: Ein unterschätztes Thema

Schmerzbedingte Aggression: Ein unterschätztes Thema

Ich möchte ein Thema aufgreifen, das meiner Meinung nach viel zu wenig beachtet wird. Nämlich die Bedeutung von Schmerzen bei Aggressionsproblemen bei Hunden.

Mir werden häufig Hunde zum Training vorgestellt, bei dem sich die Hundehalter Hilfe wünschen, weil ihr Hund Schwierigkeiten mit Artgenossen zeigt, mit fremden Menschen oder ähnlichem.
Wenn man sich diese Hunde genau anschaut, ist immer wieder festzustellen, dass ein gar nicht so kleiner Teil davon überhaupt nicht richtig läuft bzw. laufen kann.

Unerkannte Probleme

So bewegen sich viele Hunde z.B. in Schonhaltungen, sind an bestimmten Stellen berührungsempfindlich, steif im Rücken, tragen ihre Rute nicht so, wie sie sollten, die Krallen zeigen Schleifspuren etc. pp.
Die sind eindeutige Indizien für Schmerzhaftigkeit.

Spricht man die Hundehalter darauf an, sind diese in der Regel total perplex!
Es ist ihnen nicht aufgefallen.

Oft erzählen die Besitzer, dass sie sich überhaupt nicht vorstellen können, dass ihr Hund Schmerzen haben soll. Denn er kann ja mit ihnen unermüdlich Ball spielen, tobt trotzdem mit seinem besten Kumpel um die Wette und anfassen können sie ihn auch überall.

So einfach ist es aber nicht.

Endorphine & Adrenalin können kurzzeitig Schmerz unterdrücken

Unsere Hunde nehmen Schmerzen für einen kurzzeitigen Spaß durchaus in Kauf. Ähnlich wie wir Menschen dies manchmal auch tun. Wider besseren Wissens gehen wir doch joggen oder Fußball spielen, auch wenn zumindest WIR es besser wissen sollten.

Wir tun es aber aus den selben Gründen wie unsere Hunde: Wenn wir Spaß haben, Lust und Freude an etwas empfinden, werden u.a. Endorphine, die sogenannten Glückshormone, ausgeschüttet, die Schmerzen – zumindest – kurzfristig hemmen können.

Vertrauen lässt Schmerz oft klaglos ertragen

Auch eine gute Vertrauensbasis vom Hund zum eigenen Halter lässt ihn häufig klaglos schmerzhafte Berührungen tolerieren, ohne dass der eigene Mensch erkennt, dass es dem Tier unangenehm ist. Der Hund nimmt diese für soziale Zuwendung in Kauf.
In den Situationen, wo es aber nicht um Spaß und Vertrauen geht, können sich betroffene Vierbeiner dann durchaus ziemlich aggressiv zeigen. Im Sinne des Selbstschutzes: Hau ab!

Schmerzgedächtnis

Schmerzbedingte Aggression wird in der einschlägigen Literatur bei ca. 20% eingeordnet. Entweder direkt oder in Verbindung mit dem sog. „Schmerzgedächtnis“ und/oder Assoziationslernen.

Das Schmerzgedächtnis bezeichnet das Gedächtnislernen von Körperzellen. Sie sind z.B. verantwortlich dafür, dass manche Schmerzen chronisch werden können, obwohl die Ursache gar nicht mehr vorhanden ist. Damit so etwas im günstigsten Fall nicht passiert, verschreiben Tierärzte übrigens in vielen Fällen sehr schnell für einen gewissen Zeitraum schmerzhemmende Medikamte.

Schmerzreize und Assoziationslernen

Beim Assoziationslernen hat ein Lebewesen gelernt, dass bei ihm Schmerzen durch bestimmte Bewegungen/Handlungen oder ähnliches ausgelöst worden sind.

Ein konkretes Beispiel:
Ein Hund hat sich schmerzhaft eine Kralle verletzt, die Versorgung und Wundbehandlung tut ihm ebenfalls weh, danach zeigt er jedes Mal die Zähne oder schnappt, wenn man nur nach der Pfote greift, um ihm die Füße abzuputzen. Das Greifen nach der Pfote reicht also, um ihn Schmerzen erwarten zu lassen.

Das Blöde bei der schmerzbedingt assoziierten Aggression ist, dass sie nicht bewusst ausgeführt wird. Das heißt, nicht willentlich und überlegt. Es handelt sich tatsächlich eher um eine reflexartige Reaktion auf einen sogenannten Schlüsselreiz.

Und damit schlage ich wieder den Bogen zum Anfang meines Textes:
Auch wenn Aggressionsprobleme natürlich nicht immer die alleinige Folge von akuten oder latenten Schmerzen sind, können Schmerzen aber (mit-)ursächlich für aggressives Verhalten sein.

Und gerade Schmerzen aus dem Bewegungsapparat sind bei Hunden nicht selten und sollten immer mit einbezogen werden, wenn es um ein Verhaltenstraning mit Hunden geht. Man kann über reines Training häufig gar nicht alle Aggressions-Ursachen behandeln. Dafür bedarf es durchaus zusätzlicher Hilfe. Der von Tierärzten und Hundephysiotherapeuten zum Beispiel.

Warum die Hundeleine (auch) ein echtes Problem zwischen Dir und Deinem Hund sein kann…

Warum die Hundeleine (auch) ein echtes Problem zwischen Dir und Deinem Hund sein kann…

Warum die Hundeleine (auch) ein echtes Problem zwischen Dir und Deinem Hund sein kann…

Hundeleinen sind natürlich grundsätzlich super. Sie schützen einen Hund vor Gefahren und verhindern, dass ein Hund selbst eine Gefahr für andere wird. Eine Leine macht an vielen Stellen oder zu bestimmten Zeiten einfach Sinn oder ist zu Recht Pflicht.

Wenn man in der Öffentlichkeit unterwegs ist, wünscht man sich bei so einigen Hundehaltern auch mehr als innig, sie würden ihre Leinen nicht nur in der Hand tragen, sondern sie einfach auch am eigenen Tier befestigen. Aber diese Halter sollen hier gar nicht das Thema sein.

Tatsächlich denke ich, dass die Hundeleine durchaus auch zwischen Hund und Halter stehen kann. Nämlich immer dann, wenn eine Leine verhindert, dass der Hund überhaupt bei einem bleiben WILL!

Hmm… Das hört sich erst einmal komisch an, oder?

Aber wenn wir ehrlich sind, sorgt eine Leine doch an ganz vielen Stellen dafür, dass wir gar nicht unbedingt in echtem „Kontakt“ mit unserem Hund sein müssen. Weglaufen kann er ja nicht! Und weil er nicht weglaufen kann, verzichten wir plötzlich auf vieles, was viel wichtiger ist als die Leine selbst:

Wir kommunizieren nicht oder nicht ordentlich genug mit ihm.

Achtet einmal ganz bewusst darauf, an wievielen Stellen wir unserem angeleinten Hund eine Information geben und dann  in der Situation gar nicht konsequent und beharrlich auf der Umsetzung bestehen, weil wir mit den Gedanken selbst nicht 100%ig bei der Sache sind:

  • Wir passen nicht besonders gut auf, was er macht (schließlich kann man ihn im letzten Moment immer noch irgendwie an der Leine weg- oder mitziehen).
  • Wir achten nicht auf seine Körpersignale.
  • Wir achten nicht auf unsere Körperhaltung.
  • Wir achten nicht auf punktgenaues Timing.
  • Wir blenden die Umwelt an vielen Stellen zu sehr aus.
  • Wir sind nicht mehr besonders vorausschauend.
  • Oder wir lassen zu, dass der Hund sich an der Leine von uns wegarbeitet, obwohl wir ihm „eigentlich“ gesagt haben, er soll bei uns bleiben.

Wir sind also einfach mit dem Kopf nicht wirklich beim Hund.

All dies sind aber Grundvoraussetzungen, damit mein Hund bei mir bleiben KANN. Und die haben mit der Leine genaugenommen gar nichts zu tun.

Eine Leine verhindert das körperliche Weglaufen des Hundes, aber nicht das geistige Entfernen.

Hunde können uns wunderbar an der Leine ausblenden und schlicht weiter ihren eigenen Interessen nachgehen:

Sie können auch an der Leine losschießen, um einen Artgenossen anzuspringen oder  sich trotz eines Platz-Kommandos schrittweise bis ans Leinenende wegrobben.

Sie können prima neben uns sitzen und nur auf den Augenblick warten, wo wir den Griff an der Leine ein bisschen lockern – um sich dann doch die Pommes auf dem Gehweg reinzupfeifen oder die Jagd-Attacke auf den nächsten Radfahrer zu starten.

Die Leine am Hund kann schnell zu Inkonsequenz verleiten

Und das bemerken Hunde natürlich und ziehen situativ ihre Schlüsse daraus.

Natürlich ist des kein Plädoyer dafür, einfach seinen Hund abzuleinen. Aber es würde nach meiner Überzeugung vielen Hundehaltern in der Erziehung helfen, sich bewusster mit dem Hilfsmittel Leine auseinanderzusetzen und zu überdenken, an wieviel Stellen man sich genaugenommen schlicht darauf verlässt, dass der „angeschnallte“ Hund sich nur rein körperlich nicht von einem entfernen kann. Geistig aber sehr wohl.

Das Gute ist, dass man das mentales Verbunden-Bleiben sogar ganz bewusst auch an der Leine üben kann:

Zum Beispiel mit der Zielstellung, dass mein Hund erst gar nicht ins geistige Wegdriften kommt und vor allem ich als Halter „selbst“ im Kopf bei meinem Hund bleibe. Und die Leine auch gezielt immer mal wieder gar nicht aktiv benutze, obwohl sie am Hund befestigt ist, sondern stattdessen im Gespräch mit meinem Hund bleibe.

Probiert es doch mal aus.

Auch Langeweile will gelernt sein…

Auch Langeweile will gelernt sein…

Das ist laaaangweilig! Ich muss was tun!! Bloß nicht stillsitzen, muss rumrennen, mich beschäftigen, irgendwas muss hier doch los sein?!

Wirklich? Ist das so? Warum eigentlich?

Langeweile ist doch im wahrsten Sinne des Wortes eine „Weile der Zeit“. Ein Verweilen in Zeit. Ein Verweilen in meiner Zeit – ohne Zeitdruck.

Etwas, dass sich unseren hektischen Zeiten so viel mehr Menschen wünschen:

Langeweile. Um sich herunterfahren zu können. Eine Zeit, sich über sich selbst Gedanken zu machen. Eine Auszeit vom hektischen Alltag. Eine Ruhezeit für sich selbst. Den Kopf zu ordnen, die Muße zu haben, ganz viele angefangene Gedankengänge einmal zu Ende zu führen. Sich zu entspannen. Was aber nur geht, wenn der Kopf frei ist…

Langeweile heißt mitnichten, dass man „nichts“ tut.
Langeweile ist genaugenommen, aus meiner Sicht, etwas hoch produktives: Man kommt zu sich.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es unseren Hunden genauso geht. Und wir Menschen vielen Hunden viel mehr Langeweile zugestehen müssten. Und wir sie Langeweile lehren sollten. Denn wer von Anfang an nie mit sich alleine sein darf, weil immer Action ansteht oder anstehen muss, der lernt keine „Muße“, sondern einfach nur immerwährende Erwartungshaltungen.

Und das schließt sich aus: Erwartungen und Langeweile können nicht auf einer Ebene miteinander korrespondieren. Im Besten Fall schließen sie sich aus, im ungünstigsten Fall konkurrieren sie miteinander.

Ein langweiliger Hund kann ganz viele langweilige Dinge.
Und die kann er selbstverständlich. Er kann im Cafe einfach neben uns dösen, er kann problemlos allein Zuhause bleiben, er hält es aus, mal eine längere Zeit einfach „nichts“ als das Minimum zu machen, wenn der Mensch über gewisse Dauer wegen Krankheit, beruflicher Umstände oder familiärer Veränderungen nicht so wie gewohnt zur Verfügung steht. Oder der Hund selbst nicht so machen darf, wie er es gewohnt ist. Zum Beispiel, weil er nach gewissen OP’s zwangsweise zur Ruhe verdonnert ist.

Langeweile wertzuschätzen, ist meiner Ansicht nach eines der wichtigsten Dinge, die nicht nur Menschen, sondern auch all unsere Hunde gelernt haben sollten.

Einfach mal nichts tun. Mit sich selbst sein. Keine Erwartungshaltungen haben. Nur Muße. Sonst nichts.

Rasse- und Charaktereigenschaften von Auslandshunden

Rasse- und Charaktereigenschaften von Auslandshunden

„Wissen Sie eigentlich, was alles in ihrem Hund steckt? Wofür er in seinem Ursprungsland eingesetzt wird? Und falls nein, warum nicht?“

Ein paar Fragen, die zugegebenermaßen provokativ gestellt, aber keineswegs sinnlos sind.

Wenn man, wie ich,  über 10 Jahre lang im Hundetraining zu 90% mit Auslandshunden zu tun hatte, wiederholen sich bestimmte Themen regelmäßig. An erster Stelle die Unkenntnis der Hundehalter über die Tiere, die sie adoptiert haben.

Wer aus dem Ausland einen Hund zu sich nimmt, sollte sich bitte nicht nur von Mitleid leiten lassen. Denn Auslandshunde sind mitnichten allein das Ergebnis ihrer Vorerfahrungen, sie haben auch ihre typischen Gebrauchseigenschaften mit im Gepäck, wenn sie nach Deutschland ausreisen.

Geht es um Probleme, die solche Tiere nach ihrer Vermittlung in ihrem neuen Heim entwickeln, sprechen wir, meiner Erfahrung nach, ganz häufig darüber, dass die Menschen sich recht wenig mit den ursprünglichen Verwendungszwecken und Charaktereigenschaften der Hunde beschäftig haben, aus deren Land ihr Vierbeiner stammt. Das gilt für Mischlinge übrigens ebenso.

Ein klassisches Beispiel ist aus meiner Sicht der rumänische Tierschutzhund.

Nun gibt es in Rumänien selbst genaugenommen fast keine wirklichen Hunderassen in dem Sinne, wie wir sie hier verstehen. Nach meiner Recherche sind es lediglich 2, die auch erst vor kurzem vom FCI anerkannt wurden (der Mioritische Schäferhund und der Karparten-Schäferhund – beides Hirten- und Herdenschutzhunde).

(Stand: 2017)

Was es in Rumänien aber durchaus gibt, sind Hundeschläge.

Als Schlag wird ein Hundetypus bezeichnet, der in der Regel aus einer bestimmten Region stammt und zu bestimmten Verwendungszwecken gehalten wird. Der gravierende Unterschied zu unseren (Zucht-) Rassen besteht darin, dass diese Hunde kein gleiches oder einigermaßen annährend gleiches Erscheinungsbild haben müssen. Was sie aber immer können müssen, ist, ihrem Verwendungszweck entsprechend zu arbeiten, den dortigen Witterungsverhältnissen angepasst und leichtfuttrig zu sein.

Nun, und weit verbreitete Schläge in Rumänien sind nun einmal die Hirtenhunde…

Es hat sicherlich auch seinen Grund, warum genau die beiden o.g. aus den Schlägen herausgezüchteten und anerkannten Hunderassen Rumäniens bei der FCI (traraaa und tusch!!!) Hirtenhunde sind!

Wenn man sich nun einfach mal mit den beiden von mir erwähnten Hunderassen und ihren Eigenschaften beschäftigt, findet man allerorts den Hindweis, dass sie als Familienhunde nur bedingt geeignet sind, da sie „als Herdenschutzhunde mutig und effizient bei der Abwehr von Raubtieren wie Bären, Wölfen oder Luchsen sind, Fremden aber gegenüber misstrauisch. Sie sind gute Wachunde, die nachts selbständig Haus und Hof bewachen.“ (vgl. Wikipedia zu den o.g.Rassen).

Nun wundert es Hundetrainer eher wenig, verzweifelte Hundehalter aber umso mehr, wenn sich der geliebte Vierbeiner mit rumänischen Wurzeln entsprechend seiner Veranlagung entwickelt:

Besuch muss irgendwann draußen bleiben, auch die gängige Spaziergehroute betrachtet der Hund als sein Territorium und ist überdies not amused über alle Artgenossen und fremden Menschen, die sich ständig ungefragt in seinem Revier aufhalten wollen.

Jetzt mag man zu recht darauf hinweisen, dass es in Rumänien nicht nur Herdenschutzhundschläge gibt. In den Städten wird man diese auch nicht halten. Dafür aber Hunde, die Hab und Gut ihrer Besitzer bewachen und schützen sollen. Das sind durchaus auch die sog. „Kettenhunde“. Den Veranlagungen entsprechend heißt das auch für diese adoptierten Vierbeiner: Besuch muss irgendwann draußen bleiben, der Hund ist not amused über Artgenossen und fremde Menschen, die sich ständig ungefragt… Na, Sie wissen schon!

Jetzt sollen meine Ausführungen nicht andeuten, man könne solche Hunde nicht erziehen. Das kann man sehr wohl – denn auch der rumänische Hirte wird gelegentlich Besuch empfangen wollen und auch der Stadtbewohner mit seinem Wachhund wird darauf nicht verzichten.

Erziehung hat, dass wissen die meisten Rassehundhalter, immer auch mit den typischen Eigenschaften zu tun. Mit fördern und begrenzen dessen, was man für sich und seinen Hund im Alltag benötigt:

Bei einem deutschen oder belgischen Schäferhund geht man davon aus, dass er Wachqualitäten hat. Man begrenzt sie gegebenfalls frühzeitig, wenn sie über ein gewisses Maß hinausgehen. Wollte man diese Qualitäten nicht, gäbe es genügend andere Rassen, für die man sich entscheiden könnte. Auch bei einem Deutsch Drahthaar wundert einen der Jagdtrieb wenig, er wird erwartet. Ebenso bei der ganzen Terrierfraktion. Der informierte Hundehalter geht davon aus, dass er in bestimmten Bereichen mit seinem Hund dieser oder jener Rasse Arbeit und Zeit in Erziehung und Ausbildung investieren muss.

Hundehalter, die ihre Tiere aus Südeuropa adoptiert haben, was in vielen Fällen Podencos, Galgos oder Mixe mit diesen sind, wissen in der Regel sehr genau, was sie sich da ins Haus holen. Dies wird von den entsprechenden Tierschutzorganisationen meines Empfindens im großen und ganzen nach auch außen auch sehr klar und deutlich kommuniziert.

Ich vermute aber, dass dies durchaus damit zu hat, weil man genau über diese „typischen Rasseeigenschaften“ sprechen kann. Dies fehlt für die rumänischen Hunde schlicht aus dem Grunde, weil man eben nicht – aus unserem westeuropäischen geprägten Verständnis – über echte „Rassen“ spricht!

Für die rumänischen Hunde mangelt es, meiner Meinung nach, an dieser Stelle zum Teil gravierend an Sachkenntnis. Leider oft von allen Seiten. Was nicht nur für die Hunde ungünstig ist, sondern auch ihre Halter vor Probleme stellt, mit denen sie sich nicht gerechnet haben. Ein Herdenschutzhund ist nun mal in der Summe seiner Eigenschaften und Erfahrungen trotzdem eins: Ein Herdenschutzhund. Genauso wie der Wachhund trotzdem ein Wachhund bleibt.

Ausnahmen mögen die Regel bestätigen, ändern aber nichts an den Tatsachen.

Ich würde mir für die rumänischen Hunde viel, viel mehr Aufklärungsarbeit der Tierschutzorganisationen wünschen. Denn ein „geretteter“ Hund, der als Wanderpokal sein Leben schlussendlich doch in einem deutschen Tierheim verbringen muss, ist keine Option – sondern einfach nur traurig.