Die Automatismusfalle

Die Automatismusfalle

Mir begegnen inzwischen in Einzelstunden recht regelmäßig Hunde, deren Halter wirklich toll mit ihren Hunden sind im Hinblick auf ihr Timing und ihre Trainingstechnik. Mit „Technik“ meine ich nicht eine bestimmte Vorgehensweise, sondern einfach die, die diese Hundebesitzer für ihr Tier gewählt haben. Die sie – ohne wenn und aber – auch sehr gut umzusetzen in der Lage sind und die meines Empfindens auch gut zu dem jeweiligen Tier passt. Trotzdem scheinen sich manche Probleme nicht gravierend zum Positiven zu verändern.

Oft betrifft dieses Thema Menschen mit geistig und körperlich ohnehin schon schnellen Hunden: Malinois, Border Collies, Australian Shepherds etc.

Die Halter sind tatsächlich häufig schon wirklich sehr, sehr gut in ihrem Timing, wenn sie ein Verhalten bestätigen oder unterbrechen wollen. Und dass sie reaktionsschnell bei ihren speziellen Hundetypen sein müssen, wissen sie nicht nur, sie sind es absolut bewundernswert.

Nun findet man aber trotzdem das Phänomen, dass trotz tollen Timings und super Technik Hundehalter an einer bestimmten Grenze scheitern: Es lässt sich unerwünschtes Verhalten für sie situativ zwar immer und und immer wieder durchaus erfolgreich unterbrechen oder ein kurzfristiges Alternativverhalten abrufen, es stellt sich langfristig aber nicht der gewünschte Effekt ein. Nämlich der, dass der Hund dauerhaft ein bestimmtes Verhalten unterlässt oder ein anderes zeigt.
Das ist auch genau das Problem, was die Hundebesitzer im Erstkontakt schildern. WENN sie schnell genug sind, können sie ein bestimmtes Verhalten durchaus unterbrechen oder ein anderes abrufen. Sofern sie genau DIE entscheidende Sekunde noch abpassen können, ist für DIESEN Moment alles gut…

An genau dieser Stelle möchte ich die These aufstellen, dass man als Hundehalter durch eine tolle Technik und punktgenaues Timing bei bestimmten Hundetypen durchaus etwas ganz anderes erreichen kann, als man eigentlich wollte: Tatsächlich, dass man genau dadurch manche Hunde noch reaktionsschneller in ihrem „unerwünschten“ Verhalten machen kann.

Wie kann das sein?

Eigentlich ganz einfach zu erklären. Ein Hund, der ohnehin schon sehr reaktionsschnell ist, kann mit seinem ebenfalls reaktionsschnellen Besitzer lernen, diese Fähgkeit noch zu verfeinern.
Dabei stellt sich dann irgendwann das Problem, dass der Hund in der körperlichen Motorik und Wahrnehmung meistens ohnehin schon dem Menschen überlegen ist, man den Hundehalter im Vergleich zu seinem Vierbeiner irgendwann aber einfach nicht mehr schneller machen kann…

Und genau an diesem Punkt geht es um die von mir erwähnte Automatismusfalle:

Viele Hundehalter haben tatsächlich im Kopf, dass sie mit ihrem Hund immer (!) schnell sein müssen. Und dann geht es irgendwann nur noch darum, in allem schnell und zackig zu sein. Was dann häufig folgt, ist ein steter Ablauf von z.B. Unterbrechung und Auflösung. Damit meine ich konkret: Der Hundehalter unterbricht ein unerwünschtes Verhalten – und löst wieder auf, sobald der Vierbeiner das unerwünschte Verhalten nicht mehr oder stattdessen ein erwünschtes Verhalten zeigt.
Das ist auch erst einmal richtig. Abe was daraus schnell bei manchen Menschen entsteht, ist ein automatischer Handlungsablauf am Hund, den ich ganz simpel einmal so bezeichnen würde: Zumachen (unerwünschtes Verhalten), aufmachen (erwünschtes Verhalten).

In der Praxis sieht das dann tatsächlich oft so aus: Zumachen, aufmachen, zumachen, aufmachen, zumachen, aufmachen… quasi die situative Endlosschleife.

Wenn es um solche Endlosschleifen geht, die ich recht häufig in den Erstkontakten sehe (und wohlgemerkt: wir sprechen immer noch von Hundehaltern, die schon über ein tolles Timing und eine super Technik verfügen!), haben Mensch und Hund sich ganz oft in automatische Handlungsabläufe begeben. Der Mensch begrenzt, der Hund folgt, der Mensch öffnet, der Hund ist sofort wieder im alten Muster…

Was hier meiner Ansicht nach auf der Strecke bleibt, ist die simple Tatsache, trotz oder gerade wegen der schnellen Abfolge von Unterbrechung und deren Auflösung bei erwünschtem Verhalten, dem Hund auch die Zeit zum Nachdenken zu geben, WOFÜR denn diese Unterbrechung eigentlich war! Und das erreiche ich nicht dadurch, dass ich eine Unterbrechung oder ein Alternativverhalten nur für ein, zwei oder drei Sekunden einfordere und dieses bei menschlichem Wohlgefallen sofort wieder auflöse.

Gerade die geistig und motorisch fixen Hunderassen wie die Hüte- und Treibhunde sind darauf selektiert, ganz, ganz schnell Handlungsketten zu verknüpfen und automatisch abzuspulen: Hole nur drei Mal nacheinander ansatzweise sichtbar Luft, bevor Du das Auflösekommando gibst – und das Ergebnis wird sein, dass diese Hunde sofort auflösen, WEIL Du Luft holst – denn danach folgt aus ihrer Sicht immer die Auflösung! Das hat man doch als Hund schon drei Mal gesehen…

Hast Du dabei auch nur zwei mal vor dem Luftholen versehentlich mit der Augenbraue gezuckt, wird der Hund auflösen, weil er meint, dass nach Augenbrauenzucken Luft holen folgt und noch schneller auflösen!

Das Überdenken von Wieso und Warum gehört aber nicht zu den Stärken solcher Hunderassen. Dafür sind sie nicht gezüchtet, für das Erfassen von sekundenschnellen Handlungsketten durchaus. Ob diese Sinn machen, spielt für solche Hundetypen keine Rolle.

Das heißt für Hundehalter mit diesen Hunden: Sie müssen natürlich punktgenau im Timing sein und bleiben. Aber sie sollten die Unterbrechungen oder antrainiertes Alternativverhalten deutlich länger halten und einfordern. Denn diese Hunde müssen die Zeit zum Nachdenken bekommen, worum es in diesem Moment wirklich geht. Sie können es meistens nämlich nicht, wenn man ihnen diese Zeit nicht „aufzwingt“.

Und mein Tipp für den Alltag: Tempo rausnehmen. Die meisten Hundehalter, die ich mit solchen Hunden sehe, können persönlich selbst nicht einmal zehn Schritte am Stück mit ihrem Hund einfach einmal wirklich langsam gehen. Weil in den Köpfen der Menschen das Bild besteh, Je schneller der Hund, desto fixer muss auch der Mensch sein…

Versuch doch mal, eine kniffelige Rechenaufgabe zu lösen, während Du einen 100 Meter-Sprint absolvierst. Ich denke, das wird schwierig bis unlösbar. So geht es den Hunden auch. Denn zum (Nach)denken braucht man Zeit…

Silvesterangst beim Hund vorbeugen

Silvesterangst beim Hund vorbeugen

Artikel vom 16. Oktober 2016

Bald ist es wieder soweit: In einigen Wochen haben wir Silvester.

Für alle Tierbesitzer, deren Lieblinge dieses Jahr das erste Mal die obligatorische Knallerei erleben werden, ist es damit jetzt schon Zeit, sich Gedanken um eine mögliche Prophylaxe vor Silvesterangst zu machen.

Denn: Haben Tiere die Silvesterknallerei erst einmal als traumatisch erfahren, ist es nur sehr schwierig bis fast unmöglich, diese umzukehren. Was nachher bleibt, ist oftmals nur Management und in Extremfällen medikamentöse Unterstützung, den Vierbeinern den Jahreswechsel so erträglich wie möglich zu gestalten.

Warum weise ich so früh auf die Silvesterproblematik hin?

Zum einen natürlich, weil sich viele Tierhalter zu spät mit der Thematik beschäftigen. Nicht aus bösem Willen oder Unwissenheit, sondern ganz einfach aus dem Grunde, weil sich in der Regel im September/Oktober überhaupt noch niemand mit Silvester beschäftigt. Es sind ja noch lange Wochen bis dahin… Die Zeit sollte allerdings genutzt werden!

Es gibt aber noch weitere wichtige Punkte, die mit Silvester durchaus zu tun haben, auf die man aber erst einmal gar nicht kommt. Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen und eine Phobie entstanden, bleibt die Silvesterangst bei manchen Tieren leider nicht das einzige Problem.

Geräuschangst wird sehr schnell übertragen!

Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Tiere, die vor Feuerwerk Panik haben, diese im weiteren Verlauf auf Gewitter übertragen oder sogar generell auf laute, plötzliche Geräusche.

Was hat die Jagdsaison mit Silvester zu tun?

Der Herbst ist Jagdzeit. D.h., wer sich mit seinem Hund in der Natur aufhält, muss gerade jetzt damit rechnen, dass er mit Schussgeräuschen konfrontiert wird. Erschreckt sich der Vierbeiner, hat man im ärgsten Fall nicht nur einen schussängstlichen Hund, sondern im Wege der Übertragung auch gleich einen, der Feuerwerk sofort mit dem Schreckensgeräusch des Schusses assoziiert – auch wenn zwischen diesen Ereignissen vielleicht sogar Wochen vergangen sind und sie genaugenommen nichts miteinander zu tun haben.

Frühzeitige Gewöhnung an Knallgeräusche

Für alle Tiere, die bislang noch keine negativen Erfahrungen mit der Knallerei gemacht haben, sollte deshalb so früh wie möglich darauf hingewirkt werden, sie an Böllergeräusche zu gewöhnen.

Dafür kann man sich entweder Geräusch-CD’s mit Silvesterknallerei kaufen oder sich entsprechende Feuerwerksgeräusche im Internet runterladen. Die werden zu Anfang nur sehr, sehr leise abspielt, so dass beim Tier noch keine sichtbare Reaktion auf diese Laute zu erkennen ist. Zusätzlich kann man die zu hörende Ballerei mit etwas angenehmem verbinden wie beispielsweise besonders leckeren Futterhappen.

Beachtet bitte beim Abspielen bei Hund und Katze: Ihr Gehör ist viel empfindlicher als unseres! Was der Mensch als leise empfindet, muss beim Tier längst nicht so sein.

Die Lautstärke wird im Verlaufe des Gewöhnungsprozesses langsam und Schritt für Schritt gesteigert.

In Verbindung mit einer angenehmen Konsequenz können die Knallgeräusche im Wege einer klassischen Konditionierung bei manchen Tieren sogar zu einer positiven Erwartungshaltung führen:

Mein eigener Hund Fifty kommt z.B. jedes mal freudig zu mir angerannt, sobald er nur Feuerwerk im Fernsehen hört, weil er damit lustige Futterspiele verbindet. Silvester ist damit für ihn also kein Schreckenstag, sondern im wahrsten Sinne des Wortes ein „Feuerwerk“ an fliegenden Leckerchen.

Die Silvesternacht

Selbstverständlich sollte sein, dass man seine Tiere in der Nacht zum Jahreswechsel nicht Zuhause sich allein überlässt oder sie gar zum Feuerwerk um Mitternacht mit nach draußen nimmt. Denn auch die beste Prophylaxe nützt nichts, wenn das Tier einen Böller vor die Füße bekommt…

Also: Nutzt die Zeit und kümmert euch frühzeitig. Bis zu einem gewissen Grad könnt ihr als Tierbesitzer durchaus Einfluss darauf nehmen, wie eure Lieblinge Silvester empfinden werden.