Warum die Hundeleine (auch) ein echtes Problem zwischen Dir und Deinem Hund sein kann…
Hundeleinen sind natürlich grundsätzlich super. Sie schützen einen Hund vor Gefahren und verhindern, dass ein Hund selbst eine Gefahr für andere wird. Eine Leine macht an vielen Stellen oder zu bestimmten Zeiten einfach Sinn oder ist zu Recht Pflicht.
Wenn man in der Öffentlichkeit unterwegs ist, wünscht man sich bei so einigen Hundehaltern auch mehr als innig, sie würden ihre Leinen nicht nur in der Hand tragen, sondern sie einfach auch am eigenen Tier befestigen. Aber diese Halter sollen hier gar nicht das Thema sein.
Tatsächlich denke ich, dass die Hundeleine durchaus auch zwischen Hund und Halter stehen kann. Nämlich immer dann, wenn eine Leine verhindert, dass der Hund überhaupt bei einem bleiben WILL!
Hmm… Das hört sich erst einmal komisch an, oder?
Aber wenn wir ehrlich sind, sorgt eine Leine doch an ganz vielen Stellen dafür, dass wir gar nicht unbedingt in echtem „Kontakt“ mit unserem Hund sein müssen. Weglaufen kann er ja nicht! Und weil er nicht weglaufen kann, verzichten wir plötzlich auf vieles, was viel wichtiger ist als die Leine selbst:
Wir kommunizieren nicht oder nicht ordentlich genug mit ihm.
Achtet einmal ganz bewusst darauf, an wievielen Stellen wir unserem angeleinten Hund eine Information geben und dann in der Situation gar nicht konsequent und beharrlich auf der Umsetzung bestehen, weil wir mit den Gedanken selbst nicht 100%ig bei der Sache sind:
- Wir passen nicht besonders gut auf, was er macht (schließlich kann man ihn im letzten Moment immer noch irgendwie an der Leine weg- oder mitziehen).
- Wir achten nicht auf seine Körpersignale.
- Wir achten nicht auf unsere Körperhaltung.
- Wir achten nicht auf punktgenaues Timing.
- Wir blenden die Umwelt an vielen Stellen zu sehr aus.
- Wir sind nicht mehr besonders vorausschauend.
- Oder wir lassen zu, dass der Hund sich an der Leine von uns wegarbeitet, obwohl wir ihm „eigentlich“ gesagt haben, er soll bei uns bleiben.
Wir sind also einfach mit dem Kopf nicht wirklich beim Hund.
All dies sind aber Grundvoraussetzungen, damit mein Hund bei mir bleiben KANN. Und die haben mit der Leine genaugenommen gar nichts zu tun.
Eine Leine verhindert das körperliche Weglaufen des Hundes, aber nicht das geistige Entfernen.
Hunde können uns wunderbar an der Leine ausblenden und schlicht weiter ihren eigenen Interessen nachgehen:
Sie können auch an der Leine losschießen, um einen Artgenossen anzuspringen oder sich trotz eines Platz-Kommandos schrittweise bis ans Leinenende wegrobben.
Sie können prima neben uns sitzen und nur auf den Augenblick warten, wo wir den Griff an der Leine ein bisschen lockern – um sich dann doch die Pommes auf dem Gehweg reinzupfeifen oder die Jagd-Attacke auf den nächsten Radfahrer zu starten.
Die Leine am Hund kann schnell zu Inkonsequenz verleiten
Und das bemerken Hunde natürlich und ziehen situativ ihre Schlüsse daraus.
Natürlich ist des kein Plädoyer dafür, einfach seinen Hund abzuleinen. Aber es würde nach meiner Überzeugung vielen Hundehaltern in der Erziehung helfen, sich bewusster mit dem Hilfsmittel Leine auseinanderzusetzen und zu überdenken, an wieviel Stellen man sich genaugenommen schlicht darauf verlässt, dass der „angeschnallte“ Hund sich nur rein körperlich nicht von einem entfernen kann. Geistig aber sehr wohl.
Das Gute ist, dass man das mentales Verbunden-Bleiben sogar ganz bewusst auch an der Leine üben kann:
Zum Beispiel mit der Zielstellung, dass mein Hund erst gar nicht ins geistige Wegdriften kommt und vor allem ich als Halter „selbst“ im Kopf bei meinem Hund bleibe. Und die Leine auch gezielt immer mal wieder gar nicht aktiv benutze, obwohl sie am Hund befestigt ist, sondern stattdessen im Gespräch mit meinem Hund bleibe.
Probiert es doch mal aus.
© Judith Borck – Hundeschule Bremen – Training für Mensch und Tier
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