Frustrationstoleranz ist nicht gleich Impulskontrolle
Impulskontrolle und Frustrationstoleranz sind derzeit die Schlagworte in der Hundeerziehung und in aller Munde.
Trotzdem tun sich nicht nur viele Hunde schwer damit, Ruhe und Gelassenheit in aufregenden Situationen zu bewahren, sondern ebenso auch unzählige Hundehalter, ihrem Vierbeiner genau das beizubringen.
Woran liegt das?
Ich denke, dass tatsächlich vielen Hundebesitzern gar nicht wirklich klar ist, was sich hinter diesen beiden Begrifflichkeiten verbirgt. Mit diesem Artikel möchte ich auf verständliche Weise Aufhellung in dieses Thema bringen.
Denn obwohl die Begriffe Impulskontrolle und Frustrationstoleranz sehr häufig synonym benutzt werden, meinen sie aber nicht dasselbe – und das ist wichtig für ein erfolgreiches Training!
Wenn es ganz dumm läuft, machst Du Dir eine erfolgreiche Frustrationstoleranz mit Impulskontroll-Übungen vielleicht sogar kaputt.
Was ist Impulskontrolle?
Impulskontrolle ist die situative, aber bewusste und gewollte Unterdrückung der eigenen Gefühle und Affekte. Es handelt sich also ganz klassisch um Selbstbeherrschung.
Beispiele:
- Dein Hund kann das Kommando „sitz“ bis zu Deiner Auflösung eine ganze Minute sicher halten – obwohl er damit länger auf seinen heißgeliebten Keks warten muss.
- Dein Hund kann sich das Anspringen als aktive Handlung zur Begrüßung verkneifen, obwohl er dies in dieser Situation am liebsten trotzdem tun würde. Stattdessen stuppst er Dich nur schwanzwedelnd mit der Nase an.
Der Begriff Impulskontrolle umfasst dabei mehrere Aspekte:
- Den Belohnungsaufschub (also zum Beispiel auf den Keks länger zu warten)
- Die Hemmung von bereits zuvor gelernten Verhaltensmustern (also Dich jetzt nicht mehr anzuspringen)
- Die Verhaltensflexibilität (Dich zur Begrüßung stattdessen nur mit der Nase anzustuppsen)
Wichtig zu wissen:
Impulskontrolle hat auch für Hunde eine ganz bedeutsame soziale Funktion. Sie ist in den meisten Alltagssituationen erforderlich und schafft u.a. erst die Grundlage, um sich überhaupt in gesellschaftliche und/oder familiäre Strukturen einfügen zu können.
Also bspw. auf sein Futter warten zu können, nicht wie irre an der Leine seinen Besitzer hinter sich her zu ziehen, sich an seinem Menschen zu orientieren, anstatt den Artgenossen anzupöbeln. Oder einfach mehr Hundefreunde zu finden, indem man den anderen nicht gleich wie ein Panzer bei der ersten Kontaktaufnahme über den Haufen rempelt…
Einen ersten Impuls kontrollieren und hemmen zu können, ist sozusagen die kurze innere Pause, um im Anschluss sein Verhalten anpassen zu können. Impulskontrolle schafft also somit erst die Chance auf eine Neubewertung einer Situation, damit bisherige Reaktions- und Verhaltensmuster überdacht und angeglichen werden können.
Impulskontrolle ist in erheblichen Teilen Ergebnis von Lernprozessen und Training!
Das heißt: Auch ein hibbeliger, nervöser und aufgeregter Hundetyp kann deutlich mehr Selbstbeherrschung lernen. Wie gut sich Dein Hund später in bestimmten Situationen unter Kontrolle hat, liegt also auch entscheidend an Deinem Trainingsaufwand.
Je reizempfänglicher, unruhiger oder ungeduldiger Dein Hund also ist, desto mehr Zeit in Training musst Du als Hundehalter für entsprechend erwünschte Ergebnisse investieren.
Der Klassiker: Warten vor der Futterschüssel
Dem Menschen die Futterschüssel nicht aus der Hand zu schlagen und ein paar Momente warten – das können tatsächlich die meisten Hunde. Und zwar, weil die Besitzer genau das von Tag 1 schon mit ihrem Welpen üben.
Das ist gut, heißt nur leider im Umkehrschluss nicht, dass Dein Hund dieses Warten genauso auf den Besuch anwendet und ihn deshalb nicht mehr anspringt.
Das Abrufen von Impulskontrolle unterliegt – gerade bei sehr aufgeregten und reizempfänglichen Hundetypen – eben auch spezifischen Reizsituationen: Wer also auf das Futter warten kann, kann sich noch lange nicht zusammenreißen, wenn es um Hundebegegnungen, das Lieblingsspielzeug oder den klingelnden Paketboten geht.
Training beeinflusst Impulskontrolle – und Impulskontrolle beeinflusst Trainierbarkeit!
Je mehr spezifische Situationen Du als Hundehalter mit Deinem Hund übst, desto mehr Selbstkontrolle wird Dein Hund erlernen. Je mehr Selbstkontrolle Dein Hund beherrscht, desto trainierbarer und aufmerksamer wird er für Dich und gegenüber Dir.
Das Training von Impulskontrolle ist also ein klassischer Zirkelschluss für Dich und Deinen Hund.
Das bedeutet konkret: Zeigt sich Dein Hund in vielen Situationen ungehemmt, emotional übererregt und für Dich nicht ansprechbar, umso klarer muss Deine Zielstellung sein, woran Du explizit arbeiten willst. Du musst präzise, kleinschrittig, bewusst und konstant vorgehen.
Einen Impuls zu unterdrücken ist auch für uns Menschen nicht immer einfach.
Nicht nur Hunde kämpfen mit Selbstkontrolle. Wir haben damit auch unsere Schwierigkeiten und sind keineswegs jedes Mal erfogreich. Manchmal folgen wir eher unbewusst einem inneren Drang, manchmal geben wir einem Impuls wissentlich nach, weil der innere Schweinehund schließlich doch den Kampf um die Selbstbeherrschung gewonnen hat.
Sicher kennst Du folgende Beispiele aus unserem menschlichen Alltag und findest Dich an der einen oder anderen Stelle darin wieder:
- die Chipstüte wirklich nicht ganz leer zu essen, weil man sich das für das nächste Mal vorgenommen hatte
- die angekommene Whatsapp-Nachricht jetzt nicht sofort zu lesen, weil man beim gemeinsamen Essen mit Freunden sitzt
- sich an das Tempolimit auf der Straße zu halten, obwohl man viel zu spät ist und zusätzlich noch jede Ampel auf dem Weg rot ist
- auf die nächste spannende Folge der geliebten Streaming-Serie zu verzichten, weil man sonst morgens nicht aus dem Bett kommt
- doch den Hausputz zu erledigen, obwohl gerade die beste Freundin einen spontanen Kinobesuch vorschlägt
Solche eigenen Erlebnisse dürfen wir Hundehalter uns fairerweise auch immer einmal wieder vor Augen halten, wenn wir genervt vom Verhalten unseres Hundes sind. Es ist nicht immer leicht.
Deine eigene Impulsivität kann negative Auswirkungen auf das Verhalten Deines Hundes haben
Es ist nicht immer ausschließlich der Hund, der sich schwer tut – es ist genauso oft der Hundehalter, der es seinem Vierbeiner schwer macht!
Ein Problem sind tatsächlich unsere eigenen – meist unbewussten oder unwillkürlichen – Handlungsimpulse gegenüber dem Hund. Die müssen wir uns für ein erfolgreiches Hundetraining bewusst machen und buchstäblich selbst oft genug erst einmal zu hemmen lernen.
Beim Impulskontroll-Training geht es nicht nur um die Selbstbeherrschung des Hundes, sondern auch um unsere eigene:
Wir verhindern das erfolgreiche Erlernen von Impulskontrolle unseres Vierbeiners manchmal ganz aktiv durch eigene Handlungen, weil wir uns selbst auch nicht zurücknehmen oder zurücknehmen können.
Die fehlende Beherrschung des Hundes ist dann seine unmittelbare Reaktion auf unsere eigene.
So wie es uns manchmal nicht gelingt, den Chips zu widerstehen, tun wir auch gegenüber Hunden häufig impulsiv Dinge, die ihnen das Lernen von Selbstkontrolle fast unmöglich machen können:
- Du begrüßt z.B. Deinen Vierbeiner nach wie vor überschwänglich, statt ihn konsequent zu ignorieren – obwohl Du ihm eigentlich beibringen willst, bei Deiner Rückkehr endlich gelassener zu werden.
- Du kündigst ihm stimmungsvoll an, dass ihr jetzt Gassi geht – obwohl Du ihn damit in so hohe Erwartungshaltungen katapultierst, dass er sich vor lauter Aufregung nun erst recht in die Leine schmeißt.
- Du lobst ihn freudig mit quietschiger Stimme für das „Platz“ halten – mit dem Ergebnis, dass er nun aufgeregt aufspringt, statt weiter liegen zu bleiben.
Willst Du also an der Selbstbeherrschung Deines Hundes arbeiten, musst Du in speziellen Situationen vielleicht auch Deine eigene Handlungen hinterfragen.
Der Schlüssel für ein erfolgreiches Alltagstraining heißt: Üben! Üben! Üben!
Und zwar Üben für und in alltagsrelevanten Situationen. Wie oben erklärt, lassen sich Impulskontroll-Übungen eben nicht einfach so von einem Kontext in den anderen übertragen.
Soll also Dein Hund beispielsweise Besuch zukünftig nicht mehr anspringen, musst Du genau das sehr regelmäßig, explizit und bewusst trainieren. Es reicht nicht, so etwas zwei Mal im Monat nur gerade dann zu trainieren, wenn der Besuch schon vor der Tür steht.
Eine hohe und kontinuierliche Wiederholungsrate ist das, was Dein Training auf lange Sicht erfolgreich macht.
Was ist Frustrationstoleranz?
Frustrationstoleranz beschreibt die Fähigkeit, gut mit Enttäuschungen, nicht erfüllten Erwartungen, negativen Gefühlen und anderen Rückschlägen umzugehen.
Beispiele
- Dein Hund darf seinen besten Hundekumpel auf der anderen Straßenseite heute gar nicht begrüßen, weil Du es eilig hast – und er kann gut damit leben
- Dein Hund liegt im Restaurant ruhig neben dem Tisch und beschnüffelt weder vorbeigehende Menschen, noch bettelt er
- Dein Hund bleibt ruhig Zuhause und kläfft nicht vor Frust die Nachbarschaft zusammen, weil Du ohne ihn ins Theater gehst
- Dein Hund geht ruhig mit Dir an seiner gewohnten Spielwiese vorbei, obwohl dort gerade andere Hunde toben
- Dein Hund hat gelernt, seinen Liebslingsfeind zu ignorieren, obwohl der ihn von gegenüber ziemlich unfreundlich anblafft
Für all diese Dinge muss Dein Hund Frust ertragen können. Dabei ist Frustrationstoleranz aber nicht einfach so etwas wie eine zeitlich verlängerte Impulskontrolle.
Um mit Frust gut umgehen zu lernen, muss Dein Hund die Erfahrung machen, dass er sich tatsächlich auch mal mit einer Situation abfinden muss.
Nur wenn wer die Lernerfahrung macht, wie sich Enttäuschung anfühlt und auch, dass dieses Gefühl später wieder vergehen wird, kann überhaupt Frustrationstoleranz entwickeln.
Frustrationstoleranz entsteht aus dem Erleben von Enttäuschungen, nicht erfüllten Erwartungen oder erlebten Niederlagen selbst. Das heißt:
- Frust auszuhalten lernt man nur, indem man die frustrierende Situation bis zum Ende durchstehen muss.
- Sich damit abfindet.
- Die Erfahrung macht, dass situativ negative Gefühl tatsächlich wieder von allein verschwinden.
- Dass dabei Zeit eine Rolle spielt.
Akzeptanz statt Aktivismus
Frust gut wegzustecken kann also von Deinem Hund nur gelernt werden, wenn Du ihn auch einmal frustriert sein lässt – und ihn der Erfahrung überlässt, dass dieses Gefühl nicht für den Rest seines Lebens anhalten, sondern von selbst (!) irgendwann wieder vergehen wird.
Holst Du Deinen Hund stattdessen bei jeder Kleinigkeit schon aus seinem Frusterleben heraus oder bietest ihm sofort eine Alternative an, kann er nicht lernen, mit frustrierenden Situationen umzugehen.
Es fehlt ihm der wichtige und entscheidende zweite Teil für sein Gefühlsrepertoire, dass an Frust gekoppelte Emotionen von alleine wieder nachlassen. Und dass er die Zeit abwarten muss, die es kostet, bis dieses Gefühl wieder verschwindet.
Frustration aushalten zu lernen, geht also weit über die reine, zeitlich eher kurzfristige, Impulskontrolle hinaus.
Das ist erst einmal nicht schön, aber langfristig hilfreich im Leben, um nicht schon wegen jeder kleinen Widrigkeit im Leben emotional durchzudrehen.
Was Impulskontrolle von Frustrationstoleranz unterscheidet
Wie kleine Kinder sind junge Hunde noch nicht gut in Selbstbeherrschung und im Frust aushalten.
Im Laufe der Entwicklung zum Erwachsenen sollten sich aber beide Fähigkeiten idealerweise durch (gezielte) Lernerfahrungen verbessern und sich später ergänzen können.
Ein ausführliches Beispiel aus der Menschenwelt:
Du hast mit Deinen besten Freunden eine Verabredung zu einem Konzert eurer Lieblingsgruppe. Nach und nach sagen im Laufe des Veranstaltungstages alle aus wichtigen persönlichen Gründen ab. Du bleibst als einzige oder einziger übrig.
Du bist darüber natürlich ziemlich enttäuscht und traurig oder sogar auch sauer, weil Du Dich auf dieses Event zusammen mit Deinen Freunden seit Monaten gefreut hast.
Mit 15 Jahren hättest Du vor Wut jetzt vielleicht Deine Konzertkarte zerrissen und einen Tobsuchtsanfall bekommen (ungehemmter Impuls).
Als Erwachsener zerreißt Du die Konzertkarte – hoffentlich – nicht mehr (Impulskontrolle), bist aber natürlich trotzdem enttäuscht, traurig oder wütend. Aber Du weißt, dass Du an diesem Umstand gerade nichts ändern kannst und auch, dass Deine Freunde trotzdem noch immer Deine Freunde sind. Ihr werdet nur leider heute das Konzert nicht zusammen besuchen. (Frustrationstoleranz).
Du hast also von Kindheit an bis zum Erwachsenen einfach schon an vielen vorherigen Stellen in Deinem Leben die Erfahrung gemacht, dass ein situativ frustrierende Gefühl auch wieder verschwindet und nicht Dein gesamtes Leben oder bestehende Beziehungen für immer in Frage stellt:
Den Kinderriegel an der Supermarktkasse nicht zu bekommen ist – im übertragenen Sinn – der Beginn dafür, dass Du später nicht sofort jeden Job kündigst, sobald einmal jemand Kritik an Deiner Arbeit übt.
Und diese Erfahrungen sollten unsere Hunde auch machen dürfen.
Impulskontrolle gut – Frustrationstoleranz mangelhaft? Wie geht das denn?
Training zur Impulskontrolle ist im ersten Schritt zur Frustrationstoleranz natürlich hilfreich. Aber es kann sich – unter bestimmten Voraussetzungen – auch zu einem absoluten Hemmschuh entwickeln. Und dann das Erlernen echter Frustrationstoleranz tatsächlich unmöglich machen.
Das hört sich im ersten Moment unlogisch an, ist es aber nicht.
Das Problem mit dem Belohnungsaufschub!
Die meisten Hundehalter beschränken sich bei Impulskontroll-Übungen leider tatsächlich auf den reinen Belohnungsaufschub.
Das heißt nichts anderes, als dass Dein Hund etwas länger warten muss, bis er bekommt, was er möchte.
Was beim Belohnungsaufschub am Ende aber immer steht: Die Belohnung – und die damit verknüpfte hohe Erwartung darauf!
Bleiben wir noch einmal beim Beispiel Besuch und des ungewollten Anspringens, weil dieses Problem bei ganz vielen Hundehaltern ein Thema ist.
Wenn Du mit Deinem Hund übst, dass er erst einmal bei Besuch auf seine Decke gehen und sich ruhig verhalten soll, dann musst Du zwingend das anschließende Verhalten mit ins Training einbeziehen:
Im Ergebnis gehen viele Hunde nach entsprechendem Übungsaufwand natürlich auf ihre Decke – aber sie springen den Besuch danach oft genauso ungehemmt an, sobald sie von ihrem Platz wieder entlassen werden.
Das Problem:
Sie warten mit Anspannung auf die Auflösung und ihre Belohnung!
Im ungünstigsten Fall springen sie dann sogar noch ungehemmter als zuvor, weil die Erwartungshaltung auf die erhoffte Bestätigung im Verlaufe des Wartens immer höher wird:
Denn die ersehnte Belohnung für diese Hunde ist ja offensichtlich die Begrüßung als solche!
Du hast in diesem Fall also nur geübt, dass Dein Hund jetzt länger warten kann, bis er das von Dir unerwünschte Verhalten am Ende trotzdem zeigt.
Damit hast Deinem Hund also durchaus ziemlich gut einen Aspekt der Impulskontrolle – nämlich den Belohnungsaufschub – beigebracht. Er macht hier tatsächlich gar nichts falsch.
Was Du aber nicht erreicht hast, ist Dein gewünschtes Trainingsergebnis für Besuchssituationen.
Und dieser Erfolg wird sich vermutlich auch nur schwer bis unmöglich einstellen, wenn Du weiterhin ausschließlich mit dem Belohnungsaufschub arbeitest und trotzdem ein anderes Ergebnis erwartest.
Eine erfolgreiche Impulskontrolle beinhaltet, wie oben dargestellt, im Ergebnis weit mehr als „nur“ den einseitigen Belohnungsaufschub: Nämlich auch die Hemmung bereits erlernter Verhaltenmuster und die Verhaltensflexibilität.
Wenn Frustrationstoleranz gemeint ist, aber nur Belohnungsaufschub geübt wird
Die meisten Hundehalter möchten, meiner Erfahrung nach, am Ende ihres Trainings tatsächlich mehr Frustrationstoleranz erreichen und nicht nur eine kurzfristige situative Impulskontrolle.
Dieses Ziel ist aber nur erreichbar, wenn Du als Hundehalter weißt, dass Frustrationstoleranz und Impulskontrolle eben nicht identisch sind.
Das heißt: Werden als frustrierend empfundene Situationen am Ende immer durch Belohnung „entschädigt“, kommst Du als Hundehalter nie in der echten Frustrationstoleranz an. Du bleibst in der (zeitlich) kürzeren Impulskontrolle. Dein Hund macht nie die wichtige Erfahrung, eine frustrierende Situation auch einmal bis zum Ende aushalten und sich abfinden zu müssen.
Dein Hund wird über den reinen Belohnungsaufschub also sehr wahrscheinlich nicht lernen, mit unerfüllten Erwartungen gelassen umzugehen, denn diese Erwartungshaltung wird ja gerade aufrecht erhalten.
Das ist so, als würden wir unser Kind für den Verzicht des Schokoriegels an der Supermarktkasse unmittelbar danach mit dem Mandelhörnchen von der Bäckertheke belohnen. Und auch belohnen müssen, damit es zumindest an der Kasse keinen Aufstand macht.
Das macht natürlich kein Mensch so. Zurecht auch nicht, weil das Ziel nicht kurzfristige Impulskontrolle, sondern langfristig Frust aushalten können ist.
Das Lernziel ist ja gerade nicht:
Halte Dich beim Schokoriegel nur zurück, bis ich Dir in zwei Minuten dann das Mandelhörnchen kaufe. Denn dann müsste ich das Mandelhörnchen auf jeden Fall trotzdem kaufen und hätte das Problem mit dem Schokoriegel nur zeitlich nach hinten verlagert.
Menschen tun aber genau das mit Hunden ständig und wundern sich, warum sie in der Erziehung und im Training nicht so recht ans Ziel kommen.
Impulskontrolle ist der Anfang – gute Frustrationstoleranz das Ende eines erfolgreichen Alltagstrainings
Für den Alltag zu trainieren bedeutet, dass Du – je nach Alter und Hundetyp – klein anfängst und Reize und Situationen dosiert, aber regelmäßig übst. Es heißt aber auch, dass Du irgendwann den Schritt von der Impulskontrolle zum echten Frust ertragen mit Deinem Hund machen musst.
Ein Hund, den Du nach 2 Jahren Trainings zwar mit der Aussicht auf Kekse an Artgenossen vorbei bekommst, ohne aber nicht – der kann Belohnungsaufschub. Aber sehr wahrscheinlich immer noch keinen Frust ertragen.
Ein Hund, der bei Radfahrern nach viel Training angespannt „sitz“ machen kann, aber bis heute nicht einigermaßen ruhig weiter gehen kann, hat immer noch eine keine hohe Frustrationstoleranz. Trotzdem hat er natürlich Impulskontrolle bis zu einem gewissen Grad erlernt.
Ziele definieren!
Willst Du an Impulskontrolle und Frustrationstoleranz arbeiten, brauchst Du klare Ziele.
Du musst Dir einen Plan machen, für welche Alltagssituationen in Deinem Leben Du Ansprechbarkeit, Anpassungsfähigkeit und Gelassenheit bei Deinem Hund brauchst. Und dann musst Du genau das regelmäßig üben.
Auf Erwartungshaltungen und den Belohnungsaufschub achten
Ist Frust ertragen können Dein erklärter Wunsch, dann achte darauf, dass der reine Belohnungsaufschub hier dauerhaft nicht zielführend ist.
Beachte dabei: Belohnung ist alles, was Dein Hund gerne haben möchte – und das ist ganz oft gar nicht das Leckerchen oder ein Spielzeug.
Hinterfrag also im Training auch, ob Du nicht gerade doch mit einem Belohnungsaufschub bei gleichzeitig bestehenbleibender hoher Erwartung arbeitest.
Das Beispiel mit der Besuchssituation von oben steht dabei nur stellvertretend für viele andere Gegebenheiten.
Auch der Hund, der erst sitzen und Dich angucken soll, damit er nicht so ungestüm zum Artgenossen rennt, lernt so nicht zwangsläufig, sich ruhiger dem anderen zu nähern. Denn auch hier ist die echte Belohnung für viele Hunde das Losstürmen und die Kontaktaufnahme – und nicht das Leckerlie, das er noch für das eben gezeigte sitzen bleiben bekommen hat.
Eine gute Selbstbeherrschung und Frustrationstoleranz erhöht die Lebensqualität
Hunde mit guter Selbstkontrolle und der Fähigkeit, sich auch einmal mit Frust abzufinden, haben eine höhere Lebensqualität:
Sie können besser mit Stress umgehen, verfügen über mehr emotionale Selbstregulation und sind im Alltag deutlich anpassungsfähiger.
Aus diesem Grund solltest Du schon mit dem Welpen gezielt an der Impulskontrolle arbeiten und ihn auch immer einmal wieder kurzen, frustrierenden Sitautionen aussetzen. Die Grundlagen für einen möglichst entspannten Alltag legst Du nämlich genau in diesem Alter am einfachsten.
© Judith Borck – Hundeschule Bremen – Training für Mensch und Tier
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